Was ist mein Unternehmen wert?

AHGZ - Ein Gastbeitrag zum Thema Unternehmensbewertung in der Hotellerie & Gastronomie

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was Ihr Hotel, Ihre Pension, Ihr Gästehaus oder Ihre Gastronomie eigentlich wert ist? Eine solche Fragestellung kann viele Anlässe haben: Verkaufsabsichten, Nachfolgeregelung, Erbfall, Sicherheit für Darlehen, Ausscheiden von Gesellschaftern, Änderung der Rechtsform, Bewertungen für das Finanzamt oder einfach der Wunsch zu wissen, welchen Wert das eigene Unternehmen darstellt, welchen "Verkehrswert" es hat.

 

Nicht der Substanzwert ...

 

Wie bestimmt man nun den Verkehrswert? Nur im Ausnahmefall bietet der in der Bilanz ausgewiesene Buchwert eine Orientierung. Das auf der Aktivseite der Bilanz dargestellte Anlagevermögen stellt in seiner Summe den buchhalterischen Wert des Betriebes dar. Wenn es sich um einen schon lange Zeit bestehenden Betrieb handelt, ist der Buchwert jedoch meist sehr niedrig, weil er weitgehend abgeschrieben ist. Der tatsächliche Wert des Betriebes liegt dann wesentlich höher. Umgekehrt ist es jedoch auch möglich, dass ein vor einigen Jahren zu teuer gekaufter Betrieb nicht das wert ist, was in der Bilanz steht.

 

Ein weiterer Wertansatz ist der Substanzwert. Dieser orientiert sich an den Herstellungskosten und am Erhaltungszustand des Gebäudes. Er stimmt jedoch selten mit dem tatsächlichen Verkehrswert des Gebäudes überein. Denn für einen Käufer ist viel entscheidender, welche Erträge er mit dem Objekt erwirtschaften kann. Ein falsch konstruiertes Hotel in ungünstiger Lage kann zwar teuer gebaut sein, bringt aber weniger Ertrag als ein billig gebautes, aber durchdacht geplantes Hotel an einem günstigen Standort. Am aussagekräftigsten ist deshalb der Ertragswert eines Betriebes. Ein Betrieb, der eine gute Auslastung hat und mit niedrigen Kosten bewirtschaftet werden kann, ist ertragsstark – und umgekehrt.

 

... sondern der Ertragswert ist entscheidend!

 

Wie ermittelt man den Ertragswert für einen Hotelbetrieb? Zunächst müssen die nachhaltig erzielbaren Zukunftserträge geschätzt werden. Sie werden u.a. von Standortqualität, Konkurrenzsituation, Gebäude- und Einrichtungsqualität sowie dem aktuellen Ruf des Betriebes beeinflusst: Auf der Kostenseite hat die Gebäudesubstanz ebenfalls Auswirkungen. Zum Beispiel erhöhen mangelnde Funktionalität, lange Servicewege, veraltete Energiesysteme oder ein Reparaturstau die für die Zukunft zu erwartenden Kosten. Der nach Abzug der betrieblichen Kosten (einschließlich eines angemessenen Unternehmerlohns!) verbleibende Überschuss wird über die voraussichtliche weitere Nutzungsdauer des Objektes hochgerechnet und auf einen Gegenwartswert abgezinst.

 

Der Ertragswert stellt für einen wirtschaftlich rational denkenden Käufer den angemessenen Preis dar. Ist dieser Preis aber auch tatsächlich erzielbar? Viele Beispiele zeigen, dass der in der Praxis erzielte Preis erheblich vom errechneten Ertragswert abweichen kann. Ausschlaggebend sind hier Angebot und Nachfrage, die oft von Zufällen bestimmt werden oder durch allgemeine Stimmungen. So lassen sich in Zeiten der Hochkonjunktur oder in einer optimistischen Stimmungslage wesentlich höhere Preise erzielen, als in einer Abschwungphase. Oft ist es sogar unmöglich, für einen veralteten Betrieb in wenig attraktiver Lage überhaupt einen Käufer zu finden, obwohl durchaus ein gewisser Ertragswert vorhanden ist. Umgekehrt kann ein Betrieb in guter Lage mit "Liebhaberqualität" einen Preis erzielen, der den rechnerischen Ertragswert übersteigt. Der Ertragswert ist deshalb für den Marktwert nur die langfristige Orientierungsgröße. Er stellt aber auf jeden Fall die richtige Ausgangsbasis für das Ansetzen eines Verkaufspreises oder - umgekehrt - die Bewertung eines Kaufangebotes dar, ist somit eine wichtige Entscheidungshilfe.

 

Auch das Immaterielle zählt!

 

Schließlich gibt es noch den Begriff des Geschäftswerts. Er bezeichnet den immateriellen Teil des Unternehmenswertes, der z.B. durch den guten Ruf eines Betriebes oder eine große Stammkundschaft besteht. Er ist der Gegenbegriff zum Sachwert, der z.B. durch das vorhandene Inventar einer Gaststätte verkörpert wird. Ermittelt man den Ertragswert, ist der Geschäftswert (auch "Good will" genannt) immer enthalten, weil er ja den Ertrag beeinflusst.

 

Kleine, durch die Person des Inhabers geprägte Betriebe stellen ein besonderes Bewertungsproblem dar: die Ertragskraft des Unternehmens ist nicht vollständig auf einen Käufer übertragbar, weil die Gäste das Lokal speziell wegen der Person des Wirts bzw. wegen seines auf seinen individuellen Fähigkeiten beruhenden Betriebskonzepts aufsuchen. Dieser Teil der Ertragskraft geht bei einem Betreiberwechsel verloren. Deshalb muss der Sachverständige die Ertragskraft betreiberunabhängig bewerten – es ist für die Zukunft von einem durchschnittlich befähigten Betreiber auszugehen. Ein gut geführter Betrieb hat aber trotzdem einen höheren Wert, weil ja der gute Ruf unabhängig vom neuen Betreiber noch eine Weile anhält. Umgekehrt gilt dies bei bisher unprofessioneller Betriebsführung.

 

Wie die Ausführungen zeigen, ist zur Verkehrswertermittlung von Hotels oder Gaststätten ein umfangreiches Fach- und Branchenwissen erforderlich. Der Gutachter muss die bisherige Ausschöpfung des Umsatzpotenzials, die Wettbewerbsfähigkeit des Objektes und die zukünftige Nachfrageentwicklung ebenso beurteilen können wie die Höhe von Betriebskosten und den Aufwand zur Beseitigung eines Renovierungsstaus. Diese Kenntnisse können nur spezialisierte Gutachter haben.

 

veröffentlicht in der Allgemeinen Hotel- und Gaststättenzeitung vom 6. Juli 2002