Nur wer richtig rechnet, profitiert

AHGZ - Ein Beitrag zum Teil 1 der Serie Warenkalkulation in der Gastronomie

Kalkulation ist meistens nicht die Lieblingsbeschäftigung eines Küchenchefs. Und Ausreden, sich nicht damit auseinander zu setzen, gibt es genug: Die Einkaufspreise schwanken stark, die Karte wechselt häufig, die Zutaten der Gerichte variieren – macht es da Sinn, den Wareneinsatz genau zu ermitteln und auf dieser Basis den Verkaufspreis zu berechnen? Ist es da nicht besser, einfach „nach Gefühl“ zu kalkulieren und einen „üblichen“, am Preisniveau der Mitbewerber orientierten Preis auf die Karte zu schreiben? Wie sieht eine zeitgemäße Kalkulation überhaupt aus? Eine AHGZ-Serie zum Thema Kalkulation will dazu Tipps und Anregungen geben.

 

Stolpersteine lauern

 

Es klingt verführerisch, die Kalkulation anhand einer Formel mit einem Warenrohaufschlag in Prozent vorzunehmen: Auf den Wareneinsatz wird ein Aufschlag von beispielsweise 220 Prozent vorgenommen, der alle übrigen Kosten (Personal, Energie, Pacht usw.) und einen Gewinn abdecken soll.

 

Zum so ermittelten Nettoverkaufspreis wird die Mehrwertsteuer aufgeschlagen und der Preis auf einen glatten Betrag auf- oder abgerundet – fertig ist der Kartenpreis! So einfach scheint das in der Theorie – aber in der Praxis lauern viele Stolpersteine.

 

Erster Stolperstein: Wie viel Ware verbrauche ich wirklich für ein Gericht? Was auf dem fertig angerichteten Teller liegt, ist keinesfalls der Wareneinsatz. Denn das fertig gebratene Stück Fleisch wog, als es in die Pfanne gelegt wurde, ein Drittel mehr.

 

Bei Gemüse und Kartoffeln ist – wenn Frischware verwendet wurde – ein Putzverlust von etwa 25 Prozent eingetreten. Also wuchs der Wareneinsatz, der nach dem Gewicht auf dem Teller zum Beispiel bei 3 Euro lag, nun schon auf tatsächlich verbrauchte 3,75 Euro.

 

Zusätzlich ist der Verderb zu berücksichtigen: die welk gewordene Kiste Salat, der nicht mehr frische Fisch oder das überlagerte Gemüse. Dieser Verderb, der sich auch bei guter Küchenführung nie völlig vermeiden lässt, muss in die Kalkulation einfließen. Er kann den Wareneinsatz in die Höhe schnellen lassen – vor allem, wenn weniger Gäste kommen als erwartet. Wenn nur 10 Prozent der Waren im Lager verderben, das heißt nicht auf dem Teller des Gastes, sondern in der Abfalltonne landen, steigt der Wareneinsatz in unserem Beispiel von 3,75 Euro auf 4,13 Euro. Setzt man nun 220 Prozent Warenrohaufschlag an, kostet das Gericht 13,22 Euro netto beziehungsweise rund 15,70 Euro brutto. Ohne Berücksichtigung von Brat-, Putz- und Lagerverlusten wäre der Preis dagegen nur mit 14,30 Euro kalkuliert worden. Eine gute Kontrolle, ob Zubereitungsverluste und Verderb ausreichend berücksichtigt wurden, ist der Vergleich des Soll-Verbrauchs für ein bestimmtes Produkt gemäß Verkaufsstatistik und der vorgenommenen Kalkulation mit dem tatsächlichen Ist-Verbrauch gemäß Einkauf und Inventur. Wenn der Verbrauch stets höher ist als der Soll-Wert und andere Schwundursachen auszuschließen sind, muss die Kalkulation entsprechend angepasst werden.

 

Der nächste Knackpunkt für die Speisenkalkulation ist die Berücksichtigung des Arbeitsaufwands. Der Mischeinsatz von Convenience-Produkten und Frischware ist verbreitet, dementsprechend fällt der mit dem Gericht verbundene Arbeitsaufwand unterschiedlich aus. Folglich ist der Warenrohaufschlag zu differenzieren.

 

Arbeitsaufwand beachten

 

Beispiel: Ein hochwertiges Fertigdessert kostet im Einkauf 2 Euro. Ein anderes, selbst hergestelltes Dessert kostet nur 1 Euro Wareneinsatz, benötigt aber fünf Minuten mehr Arbeitsaufwand pro Portion als das Fertigdessert. Wenn eine Arbeitsstunde knapp kalkuliert 12 Euro kostet, entstehen 1 Euro Zusatzkosten, also liegen die direkt zurechenbaren Kosten bei 2 Euro wie beim Fertigdessert. In der Praxis ist der genaue Arbeitseinsatz für ein bestimmtes Gericht schwer zu ermitteln. Man kann sich deshalb mit einer Einteilung in drei Klassen behelfen: Arbeitsaufwand niedrig, mittel, hoch. Entsprechend der Einordnung ist dann der Aufschlag zu differenzieren, also zum Beispiel mit 100 Prozent für niedrigen, 200 Prozent für mittleren und 300 Prozent für hohen Arbeitsaufwand. In unserem Beispiel würde dann das Fertigdessert 2 Euro + 100 Prozent + 19 Prozent = rund 4,80 Euro kosten und das hausgemachte Dessert 1 Euro + 300 Prozent + 19 Prozent = ebenfalls rund 4,80 Euro. Ohne diese Differenzierung bei einheitlich 200 Prozent Rohaufschlag stände das Fertigdessert dagegen mit 7,20 Euro auf der Karte und das selbst produzierte Dessert mit nur 3,60 Euro mit entsprechenden Negativfolgen, weil sich die Nachfrage auf das weniger rentable Dessert konzentrieren würde.

 

Erhebliche Schieflagen

 

Eine Kalkulation ohne die Berücksichtigung der Arbeitsintensität des Gerichtes kann zu erheblichen Schieflagen bei der Rentabilität führen.

 

Die Gerichte entsprechend einzuordnen und die Aufschlagssätze passend zu bemessen, ist ein relativ großer Aufwand. Deshalb findet man solche Berechnungen eher in Lehrbüchern als in der Praxis. Hier zeigen sich sehr deutlich die Grenzen der herkömmlichen Kalkulation mit Warenrohaufschlägen in Prozent. In der nächsten Folge sollen deshalb Alternativen aufgezeigt werden.

 

Tipps und Fragestellungen für Ihre Kalkulation

 

  •     Haben Sie bei Ihrer Kalkulation Zubereitungsverluste und Verderb  eingerechnet, die je nach Gericht sehr unterschiedlich sein können?
  •     Ist bei der Kalkulation der Arbeitsmehraufwand für Eigenproduktion gegenüber Convenience-Artikeln ausreichend berücksichtigt?
  •     Vergleichen Sie den Soll-Verbrauch gemäß Ihrer Kalkulation und der Verkaufsstatistik mit dem Ist-Verbrauch gemäß Einkauf und Inventur?

 

 

Autor: Dipl. Kfm. Jochen Schmidt

Erschienen in der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung, Ausgabe 2008/17

(Teil 1 der AHGZ -Serie zur Kalkulation)

überarbeitet am 23. Juni 2014